OLG Hamm – Az.: I-9 U 90/19 – Urteil vom 04.02.2020
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 17.04.2019 teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1.
Der Kläger macht im vorliegenden Rechtsstreit Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 07.06.2017 auf dem A-kreisel in B, einem zweispurigen Kreisverkehr, geltend. Dort kam es zu einer Kollision zwischen dem klägerischen C, zur Unfallzeit vom Zeugen D geführt, der von der inneren Fahrspur aus über die äußere Fahrspur rechts in die E-straße abbiegen wollte, und dem von der Beklagten zu 2) auf der äußeren Fahrspur des Kreisverkehrs gefahrenen Linien-Gelenkbus (Linie 00) der Beklagten zu 1).Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge im Einzelnen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat zur Sachaufklärung lediglich Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil der Klage ganz überwiegend stattgegeben und lediglich die Zinsen auf die im Wege des Freistellungsbegehrens verfolgten Sachverständigenkosten und vorgerichtlichen Anwaltskosten aberkannt. Zur Begründung hat es im im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei im Wesentlichen – bis auf die o.g. Zinsansprüche – begründet. Der Kläger könne von den Beklagten als Gesamtschuldnern dem Grunde nach gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG vollen Ersatz seiner unfallbedingten Schäden verlangen. Die gem. § 17 Abs. 2 und 1 StVG vorzunehmende Abwägung führe nach dem unstreitigen bzw. bewiesenen Sachverhalt zum vollständigen Zurücktreten des auf Klägerseite zu berücksichtigenden Verursachungsanteils. Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. F sei davon auszugehen, dass das Klägerfahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision gestanden habe und vom Beklagtenfahrzeug (mit dessen hinteren Teil) streifend angefahren worden sei. Der Beklagten zu 2) sei als unfallursächliches erhebliches Verschulden anzulasten, dass sie nach kurzem Halt – zwecks Hereinlassens eines anderen Busses – ihre Fahrt fortgesetzt habe, ohne sich durch Blick in den Rückspiegel darüber zu vergewissern, dass der vom Bus benötigte Verkehrsraum frei gewesen sei. Dies gelte ungeachtet dessen, dass das Klägerfahrzeug nach den Feststellungen des Sachverständigen so zum Stehen gebracht worden sei, dass es leicht in die vom Beklagtenfahrzeug befahrene Außenfahrspur des Kreisverkehrs hineingeragt habe. Die dadurch allerdings geringfügig erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs trete hinter der durch das vorgenannte Verschulden der Beklagten zu 2) erheblich erhöhten Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs ganz zurück. Die geltend gemachten unfallbedingten materiellen Schäden des Klägers seien unstreitig. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten seien ebenfalls ersatzfähig. Die zuerkannte Zinsforderung ergebe sich aus § 291 BGB. Nicht begründet seien lediglich die geltend gemachten Zinsansprüche bzgl. der Sachverständigenkosten und der vorgerichtlichen Anwaltskosten, da insoweit jeweils lediglich ein Freistellungsanspruch bestehe, der keine Geldforderung darstelle, und ein Verzugsschaden weder dargetan noch ersichtlich sei.
Wegen der landgerichtlichen Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
2.
Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung begehren die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage unter entsprechender Teilabänderung des landgerichtlichen Urteils. Zur Begründung tragen sie ergänzend – neben einer pauschalen Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag – im Wesentlichen vor:
Das Landgericht habe zu Unrecht der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Insoweit sei die angefochtene Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerhaft. Bei richtiger Würdigung sei die Klage insgesamt abzuweisen.
In tatsächlicher Hinsicht sei zunächst zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Parteianhörung der Beklagten zu 2) und einer Vernehmung der benannten Zeugen – insbesondere bzgl. des Fahrverhaltens des das Klägerfahrzeug führenden Zeugen D im Vorfeld – abgesehen und sich bzgl. des Unfallherganges ausschließlich auf die Feststellungen des eingeschalteten Sachverständigen Dipl.-Ing. F gestützt habe.
Das Landgericht habe zudem aus der – weiterhin nicht angegriffenen – Feststellung des Sachverständigen, dass das Klägerfahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision leicht in die vom Beklagtenfahrzeug befahrene Außenfahrspur des Kreisverkehres hineinragend gestanden habe, rechtlich falsche Schlüsse gezogen.
Die Beklagte zu 2) sei nämlich nicht i.S. des § 10 StVO vom Fahrbahnrand angefahren und habe auch keinerlei Fahrvorgang in Querrichtung – etwa i.S. eines Spurwechsels – durchgeführt. Sie habe ihre Fahrlinie auf der Außenspur des Kreisverkehres vielmehr nicht verlassen, sondern sei lediglich wegen aus der rechtsseitig einmündenden E-straße in den Kreisverkehr einfahrenden Verkehrs auf ihrer Fahrspur zum Stehen gekommen und habe dann noch weiter gewartet, um einem anderen Linienbus die Einfahrt in den Kreisverkehr zu ermöglichen. Bei dieser Sachlage seien an die Beklagte zu 2) beim Wiederanfahren nach verkehrsbedingtem Warten keine hohen Sorgfaltsanforderungen zu stellen. Vielmehr habe die Beklagte zu 2) darauf vertrauen dürfen, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht verkehrswidrig in ihren Fahrbereich auf ihrer Fahrspur geraten würden. Sie habe sich vorrangig auf die Verkehrssituation vor ihr konzentrieren dürfen und müssen.
Da unstreitig der Zeuge D mit dem klägerischen Fahrzeug einen Fahrstreifenwechsel begonnen habe, hätte dagegen der Zeuge gem. § 7 Abs. 5 StVO die höchste Sorgfalt zu wahren gehabt. Für eine Nichtwahrung dieser höchsten Sorgfalt spreche hier bereits der nicht erschütterte Anschein, da es im Zuge des vom Zeugen D beabsichtigten und eingeleiteten Fahrstreifenwechsels zur Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug gekommen sei. Zudem sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass angesichts des erst im hinteren Bereich gelegenen Schadensbildes am Beklagtenfahrzeug der Zeuge mit dem Klägerfahrzeug in die Kollisionsposition gefahren sein müsse, als das Beklagtenfahrzeug sich bereits in der Kollisionsposition oder kurz davor befunden habe. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass der Zeuge D seinen Fahrstreifenwechsel – unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO und zudem auch unter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO aufgrund zu geringen Seitenabstandes unter Behinderung der Beklagten zu 2) – zu einem Zeitpunkt begonnen habe, als sich das große Beklagtenfahrzeug bereits deutlich sichtbar auf der rechten Fahrspur neben ihm befunden habe.
Insgesamt könne danach die durch ein erhebliches unfallursächliches Verschulden des Zeugen D noch deutlich erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs keinesfalls hinter der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs, die nach dem Vorstehenden durch kein unfallursächliches Verschulden der Beklagten zu 2) erhöht sei, zurücktreten. Vielmehr scheide umgekehrt eine Haftung der Beklagten sogar ganz aus.
3.
Der Kläger tritt der Berufung der Beklagten entgegen und begehrt deren Zurückweisung. Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt dabei ergänzend – neben einer pauschalen Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen – im Wesentlichen aus: Das Landgericht habe völlig zu Recht ein erhebliches unfallursächliches Verschulden der Beklagten zu 2) angenommen. Demgegenüber trete die auf Klägerseite allenfalls zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs ganz zurück. Dem Zeugen D sei keineswegs ein unfallursächliches Verschulden anzulasten. Insbesondere habe der Zeuge das Klägerfahrzeug keineswegs erst Sekundenbruchteile vor dem Unfall in der späteren Kollisionsposition angehalten. Vielmehr habe er schon dort gestanden, als die Beklagte zu 2) angehalten habe, um einen aus der E-straße kommenden Bus in den Kreisverkehr einfahren zu lassen. Ferner habe der Zeuge noch gehupt, als er bemerkt habe, dass es eng wurde. Letztlich sei die Kollision für den Zeugen nicht vermeidbar gewesen.
4.
Der Senat hat im Senatstermin am 04.02.2020 die Beklagte zu 2) persönlich angehört, die Zeugen D und G vernommen und den Sachverständigen Dipl.-Ing. F ergänzend befragt. Auf das wesentliche Ergebnis dieser weiteren Sachaufklärung wird im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen zur Sache eingegangen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur antragsgemäßen Teilabänderung des angefochtenen Urteils.
1.
Die vom Kläger, dessen Aktivlegitimation bzw. Prozessführungsbefugnis insgesamt nicht mehr in Streit steht, im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Ersatzansprüche nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB bestehen entgegen der Annahme des Landgerichts nicht.
a.
Dass der streitgegenständliche Unfall, bei dem unstreitig das klägerische Fahrzeug beschädigt worden ist, sich i.S. des § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs ereignet hat und keine höhere Gewalt i.S. des § 7 Abs. 2 StVG vorliegt, steht zwar außer Frage und Streit. Auch ist eine Unvermeidbarkeit des Unfalles i.S. des § 17 Abs. 3 StVG nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme für keine Seite, insbesondere für die Beklagte zu 2), nicht mit der erforderlichen Sicherheit positiv feststellbar.
Die danach gebotene Abwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG, bei der jeweils zu Lasten einer Seite nur unstreitige bzw. bewiesene unfallursächliche Umstände berücksichtigt werden können, führt indes entgegen der Ansicht des Landgerichts zum völligen Zurücktreten der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs.
b.
Soweit das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen ist, dass zum Zeitpunkt der Kollision das klägerische Fahrzeug leicht in die von der Beklagten zu 2) mit dem Linien-Gelenkbus der Beklagten zu 1) befahrene äußere Fahrspur des Kreisverkehres hineinragend gestanden hat und von dem innerhalb seiner Spur fahrenden vorgenannten Gelenkbus mit der hinteren Seite erfasst worden ist, bestehen hiergegen angesichts der überzeugenden, im Senatstermin nochmals bestätigten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. F in seinem schriftlichen Gutachten, wonach das Klägerfahrzeug sich konkret mit der rechten Frontecke und dem rechten Vorderrad teilweise in der vom Beklagtenfahrzeug befahrenen äußeren Fahrspur befand, keinerlei Bedenken. Der Zeuge D hat vor dem Senat auch ausdrücklich selbst eingeräumt, dass er von der inneren Fahrspur des Kreisverkehres aus rechts in die E-straße habe abbiegen wollen und dann nach Wahrnehmung des herannahenden Beklagtenfahrzeugs so angehalten habe, dass das Klägerfahrzeug etwas in die vom Beklagtenfahrzeug genutzte äußere Fahrspur des Kreisverkehres hineingeragt habe.
c.
Das Landgericht hat indes verkannt, dass auf Basis des feststehenden vorstehenden Sachverhalts ein gravierendes unfallursächliches Verschulden des das Klägerfahrzeug zur Unfallzeit führenden Zeugen D anzunehmen ist, wodurch die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs nicht nur – wie im landgerichtlichen Urteil ausgeführt – geringfügig, sondern ganz erheblich erhöht worden ist.
Entgegen der Ansicht der Berufung wird man in diesem Zusammenhang zwar nicht auf § 7 Abs. 5 StVO und auf einen Anschein für einen Verstoß gegen diese Vorschrift abstellen können. Denn das Fahren des Fahrzeugs in die vorgenannte Anhalteposition war letztlich Teil eines beabsichtigten Rechtsabbiegemanövers in die E-straße, so dass aus Sicht des Senats hier nicht § 7 Abs. 5 StVO, sondern die Sonderbestimmung des § 9 StVO, dort namentlich Absätze 1 und 3, einschlägig ist (vgl. dazu allgemein nur Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 7 StVO, Rn. 17 sowie KG, NZV 2008, 412, dort Rn. 11 f. bei juris).
Es stellt aber von vornherein einen (positiv feststehenden) erheblichen Verstoß gegen die letztgenannte Vorschrift dar, überhaupt ein Rechtsabbiegemanöver von der linken inneren Fahrspur aus einzuleiten; vielmehr hätte der Zeuge D noch einmal um den Kreisel fahren, sich dann rechtzeitig auf die rechte äußere Spur einordnen und von dort aus abbiegen müssen (vgl. dazu KG, a.a.O.). Wenn er schon (bereits für sich genommen verkehrswidrig) Anstalten machte, direkt von der linken inneren Fahrspur aus nach rechts in die E-straße abzubiegen, hatte er zudem – namentlich ggü. dem bevorrechtigten gleichgerichteten Verkehr auf der rechten äußeren Spur (vgl. zum Vorrecht neben KG, a.a.O. auch Hentschel/König, a.a.O., § 9 StVO, Rn. 28, 39, 42) – eine ähnlich hohe besondere Sorgfalt zu wahren wie im Falle eines Fahrstreifenwechsels i.S. des § 7 Abs. 5 StVO. Insbesondere durfte er mit seinem Fahrzeug nicht – wie geschehen – teilweise in die rechte äußere Fahrspur des Busses hineinfahren und den passierenden Bus behindern oder gar gefährden. Der diesbezügliche Verkehrsverstoß wiegt besonders schwer, weil zu dem Zeitpunkt, als der Zeuge D das herannahende Beklagtenfahrzeug wahrnahm und sich deshalb zum Anhalten entschloss, das aus der H-straße in den Kreisverkehr auf die äußere Fahrspur eingefahrene Beklagtenfahrzeug – so der Zeuge selbst vor dem Senat – bereits nah herangekommen war und sich fast schon neben ihm befand.
d.
Auf Seiten der Beklagten zu 2) lässt sich hingegen – vom Landgericht ebenfalls verkannt – ein unfallursächliches Verschulden keineswegs positiv feststellen.
Nach Auffassung des Senats war die Beklagte zu 2), wenn sie – was positiv feststeht – auf ihrer Fahrspur verkehrsbedingt angehalten und einem anderen Bus aus der E-straße die Einfahrt in den Kreisel ermöglicht hatte sowie sodann ohne (bei der hier zugrunde zu legenden Fahrlinie auch nicht zu erwartendes) Verlassen ihrer Spur wieder anfuhr, nicht ohne weiteres verpflichtet, sich im Rückspiegel zu vergewissern, ob ihr im hinteren Bereich tatsächlich der gesamte Verkehrsraum auf ihrer eigenen Spur zur Verfügung stand, zumal sie ihre Aufmerksamkeit naturgemäß in erster Linie auf die Verkehrslage vor ihr zu richten hatte.
Anders könnte sich die Situation insoweit aus Sicht des Senats allenfalls dann darstellen, wenn sich das Klägerfahrzeug bereits zu dem Zeitpunkt wahrnehmbar in der o.g. Anhalteposition befunden und in die rechte äußere Spur des Kreisverkehrs hineingeragt hätte, als das Beklagtenfahrzeug mit dem vorderen Teil, wo die Beklagte zu 2) am Steuer saß, das Klägerfahrzeug passierte; in diesem Falle hätte in der Tat Anlass für die Beklagte zu 2) bestanden, beim Fortsetzen der Fahrt und weiteren Passieren des Klägerfahrzeugs besondere Vorsicht walten zu lassen, auch den hier in Rede stehenden Bereich ihrer Fahrspur im Rückspiegel zu beobachten und die Fahrweise auf die sich dort darbietende Situation einzustellen, notfalls erneut anzuhalten (§ 1 Abs. 2 StVO).
Nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme lässt sich indes nicht hinreichend sicher feststellen, dass das Klägerfahrzeug sich bereits in der späteren, in die äußere Fahrspur des Kreisverkehrs hineinragenden Kollisionsposition befand und dort für die Beklagte zu 2) wahrnehmbar war, als der vordere Teil des Beklagtenfahrzeugs mit der dort auf dem Fahrersitz befindlichen Beklagten zu 2) das Klägerfahrzeug passierte, bevor das Beklagtenfahrzeug dann verkehrsbedingt angehalten wurde. Die Beklagte zu 2) hat das Klägerfahrzeug nach ihren Angaben vor dem Senat nicht – insbesondere nicht in der vorgenannten, in ihre Fahrspur hineinragenden Anhalteposition – wahrgenommen, als sie das Klägerfahrzeug mit dem vorderen Teil des von ihr geführten Gelenkbusses passierte, bevor sie dann verkehrsbedingt anhielt und einen anderen Bus vorließ. Nach Angaben des Zeugen D war – wie bereits erwähnt – das Beklagtenfahrzeug, als der Zeuge es erstmals wahrnahm und sich daraufhin zum Anhalten entschloss, bereits nah herangekommen und befand sich fast schon neben ihm; als das Beklagtenfahrzeug dann verkehrsbedingt anhielt und einen anderen Bus hereinließ, war – so der Zeuge weiter – für ihn die Beklagte zu 2) im vorderen Teil des Busses schon nicht mehr sichtbar. Der Zeuge G, der nach seinen Angaben mit seinem PKW dem Klägerfahrzeug als zweites Fahrzeug folgte und den Unfall nicht selbst wahrgenommen hat, hat dazu, wann und wie lange der Zeuge D angehalten hat, letztlich keine Angaben machen können. Der Sachverständige Dipl.-Ing. F hat vor dem Senat nochmals nachvollziehbar und überzeugend bekräftigt, dass er die Standdauer des Klägerfahrzeugs nicht rekonstruieren und insbesondere auch unter Mitberücksichtigung der Partei- und Zeugenangaben vor dem Senat nicht positiv feststellen könne, dass das Klägerfahrzeug bereits (für die Zweitbeklagte wahrnehmbar) in der späteren, in die äußere Fahrspur hineinragenden Kollisionsposition stand, als der Gelenkbus der Beklagten mit dem vorderen Teil am Klägerfahrzeug vorbeifuhr.
Auch ansonsten ist ein unfallursächliches Verschulden der Beklagten zu 2) nicht feststellbar, lässt sich ein solches insbesondere nicht daraus herleiten, dass der Zeuge D nach seinen Angaben noch gehupt hat, als es aus seiner Sicht „eng wurde“. Der Sachverständige Dipl.-Ing. F hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass er nicht rekonstruieren könne, dass die Beklagte zu 2) bei Wahrnehmung des vorgenannten Hupens noch unfallvermeidend hätte reagieren können.
e.
Insgesamt ist danach im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der – wie ausgeführt – durch ein gravierendes unfallursächliches Verschulden des Zeugen D erheblich erhöhten Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs lediglich die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs gegenüberzustellen. Diese Betriebsgefahr ist grundsätzlich zwar schon allein aufgrund der Abmessungen des Fahrzeuges (eines Gelenkbusses) und insbesondere der unterschiedlichen Radien von zweiachsigem Vorderwagen einerseits und dem einachsigen hinteren Fahrzeugteil andererseits bei einer Kurvenfahrt erhöht. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Beklagtenfahrzeug nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen trotz seiner Abmessungen und der vorgenannten Eigenschaften auch mit dem hinteren Fahrzeugteil seine Fahrspur nicht verlassen hat, sondern stets komplett klar auf seiner Spur geblieben ist die entscheidende Unfallursache vielmehr – wie der Sachverständige Dipl.-Ing. F im Senatstermin ausdrücklich bestätigt hat – vom Zeugen D durch das teilweise Hineinfahren in die vom Beklagtenfahrzeug befahrene Fahrspur gesetzt worden ist. Bei dieser Sachlage tritt nach Auffassung des Senats die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs vollständig hinter der durch das o.g. grobe unfallursächliche Verschulden des Zeugen D ganz erheblich erhöhten Betriebsgefahr des klägerischen C-PKW zurück.
2.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten die angefochtene Entscheidung des Landgerichts antragsgemäß teilweise in dem Sinne abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Eine Revisionszulassung war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.