Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Unfallanalyse und Verletzungsmechanik: Ein richtungsweisender Fallbericht
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was genau ist eine unfallanalytische Begutachtung und warum ist sie für mich wichtig?
- Welche Arten von Gutachten werden im Rahmen einer unfallanalytischen Begutachtung erstellt?
- Wann ist eine unfallanalytische Begutachtung erforderlich und wer entscheidet darüber?
- Wie kann ich micherstellen, dass das Gutachten fachgerecht und neutral erstellt wird?
- Was passiert, wenn die unfallanalytische Begutachtung fehlerhaft oder unvollständig ist?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Kläger machen Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend. Der Unfall ereignete sich, als ein Fahrzeug das Stoppschild missachtete und mit dem Fahrzeug der Kläger kollidierte.
- Die Haftung der Beklagten für den Unfall ist unstrittig. Es besteht jedoch Uneinigkeit über die Schadenshöhe und den Zusammenhang zwischen Unfall und den geltendgemachten Beschwerden.
- Die Kläger argumentieren, dass sie wegen des Unfalls erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen erfahren haben. Sie fordern jeweils ein Schmerzensgeld, das sie als angemessen betrachten.
- Die Beklagte bestreitet die gesundheitlichen Beschwerden der Kläger und deren Ursachenzusammenhang zum Unfall. Sie führt an, dass die Beschwerden weitgehend allgemeiner Natur seien.
- Das Landgericht wies die Klage der Klägerin zu 1) ab und sprach dem Kläger zu 2) ein geringes Schmerzensgeld zu. Es wurden nicht alle Beweisanträge der Kläger berücksichtigt, was zu ihrer Berufung führte.
- Das Oberlandesgericht hob die Urteile des Landgerichts auf und verwies den Fall zurück. Dies geschah mit der Begründung, dass Beweiserhebungen nicht ausreichend behandelt wurden.
- Das Gericht entlastet die Kläger von den Gerichtskosten im Berufungsverfahren. Dies zeigt eine unterstützende Haltung des Gerichts gegenüber den Klägern.
- Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Kläger sofortige Maßnahmen ergreifen können.
- Die Revision wurde nicht zugelassen, was bedeutet, dass das Urteil des Oberlandesgerichts endgültig ist.
- Die weitere Verhandlung wird klären, ob den Klägern das geforderte Schmerzensgeld zusteht. Das Urteil hat somit unmittelbare Folgen für die rechtlichen Ansprüche beider Kläger.
Unfallanalyse und Verletzungsmechanik: Ein richtungsweisender Fallbericht
Unfälle passieren leider immer wieder und hinterlassen oft schwere Verletzungen. Um die Folgen eines Unfalls richtig zu beurteilen, müssen die Umstände des Geschehens genau analysiert werden. Neben der Ermittlung der Unfallursache, spielt die Feststellung der Verletzungsmechanik eine entscheidende Rolle. Dabei geht es darum, wie die Verletzungen bei dem Unfall entstanden sind und welche Kräfte bei deren Entstehung gewirkt haben. Einen wichtigen Teil dieser Analyse stellt die medizinische Begutachtung dar. Ein Gutachter untersucht den Verletzten, analysiert die Unfallhergang und die Folgen für den Körper. Die Erkenntnisse aus dieser Analyse sind wichtig, um die Ursache des Unfalls zu klären, die Schuldfrage zu beantworten und die Höhe des Schadens zu bestimmen.
Im Folgenden möchten wir Ihnen einen konkreten Fall näherbringen, der die Bedeutung der unfallanalytischen und verletzungsmechanischen Beurteilung aufzeigt. Dieser Fall veranschaulicht die komplexe Interaktion von medizinischem Fachwissen und juristischen Aspekten, die bei der Beurteilung von Unfallschäden eine bedeutende Rolle spielen.
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Der Fall vor Gericht
Gericht verweist Schmerzensgeldforderungen nach Verkehrsunfall zurück an erste Instanz
Das Oberlandesgericht München hat in einem Berufungsverfahren die Entscheidungen des Landgerichts Landshut zu Schmerzensgeldforderungen nach einem Verkehrsunfall aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Der Fall betrifft zwei Kläger, die als Beifahrer bei einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge im Jahr 2006 verletzt wurden.
Mangelhafte Begutachtung in erster Instanz
Das Gericht kritisierte die erstinstanzliche Beweisaufnahme als fehlerhaft. Insbesondere bemängelte es die Auswahl und Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser war weder für biomechanische Gutachten bestellt noch besaß er die notwendige medizinische Fachkompetenz für alle relevanten Bereiche. Zudem unterblieb eine eigene körperliche Untersuchung der Kläger durch den Hauptgutachter.
Notwendigkeit umfassender medizinischer Begutachtung
Das Oberlandesgericht betonte die Erforderlichkeit einer gründlichen unfallanalytischen, verletzungsmechanischen und medizinischen Begutachtung in solchen Fällen. Dabei müsse die individuelle Belastung der Betroffenen ebenso berücksichtigt werden wie mögliche andere Ursachen für die geklagten Beschwerden. Das Gericht ordnete konkret die Einholung folgender Gutachten an:
- Ein biomechanisches Gutachten durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen
- Ein orthopädisches oder unfallchirurgisches Hauptgutachten mit zahnmedizinischem Zusatzgutachten
- Ein psychiatrisches Gutachten für beide Kläger
Beweismaßstab und Kausalitätsfragen
Das Gericht wies darauf hin, dass bei den Klägern unstreitig Primärverletzungen vorlagen. Daher gelte für weitere Verletzungen oder Beschwerden der gelockerte Beweismaßstab des § 287 ZPO. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Ursachenzusammenhang sei ausreichend. Gleichzeitig müsse geklärt werden, warum die Kläger erst Jahre nach dem Unfall einen Arzt aufsuchten und welche anderen Ursachen für die Beschwerden in Frage kämen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden und fachlich fundierten Begutachtung bei Schmerzensgeldforderungen nach Verkehrsunfällen. Sie verdeutlicht, dass eine mangelhafte Sachverständigenauswahl und unzureichende medizinische Untersuchungen zu Verfahrensfehlern führen können. Zudem betont das Gericht den gelockerten Beweismaßstab bei nachfolgenden Beschwerden, sofern Primärverletzungen unstreitig sind. Dies stärkt die Position von Unfallgeschädigten im Prozess.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden und Schmerzensgeldforderungen geltend machen, unterstreicht dieses Urteil die Wichtigkeit einer gründlichen und fachgerechten Begutachtung Ihrer Verletzungen. Das Gericht fordert eine umfassende Untersuchung durch qualifizierte Sachverständige, die sowohl unfallanalytische, verletzungsmechanische als auch medizinische Aspekte berücksichtigt. Für Sie bedeutet das: Bestehen Sie auf einer sorgfältigen Begutachtung durch Experten mit der richtigen Fachkompetenz. Auch wenn Ihre Beschwerden erst später auftreten, haben Sie gute Chancen, diese geltend zu machen, da bei nachgewiesenen Primärverletzungen ein gelockerter Beweismaßstab gilt. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Ihre Ansprüche zunächst abgewiesen werden – eine Überprüfung in höherer Instanz kann, wie in diesem Fall, zu Ihren Gunsten ausfallen.
FAQ – Häufige Fragen
Unfallanalytische Begutachtung spielt eine wichtige Rolle bei der Klärung von Unfallursachen und der Ermittlung von Verantwortlichkeiten. In dieser FAQ-Rubrik finden Sie Antworten auf häufige Fragen rund um das Thema Unfallanalyse und erhalten wertvolle Informationen, die Ihnen bei der Interpretation von Unfallberichten und der Einordnung von Sachverhalten helfen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was genau ist eine unfallanalytische Begutachtung und warum ist sie für mich wichtig?
- Welche Arten von Gutachten werden im Rahmen einer unfallanalytischen Begutachtung erstellt?
- Wann ist eine unfallanalytische Begutachtung erforderlich und wer entscheidet darüber?
- Wie kann ich micherstellen, dass das Gutachten fachgerecht und neutral erstellt wird?
- Was passiert, wenn die unfallanalytische Begutachtung fehlerhaft oder unvollständig ist?
Was genau ist eine unfallanalytische Begutachtung und warum ist sie für mich wichtig?
Eine unfallanalytische Begutachtung ist ein komplexer Prozess zur detaillierten Rekonstruktion eines Unfallhergangs. Dabei werden verschiedene Aspekte wie Fahrzeugschäden, Bremsspuren, Endpositionen der Fahrzeuge und weitere Spuren am Unfallort systematisch untersucht und ausgewertet. Ziel ist es, den genauen Ablauf des Unfalls sowie die dabei wirkenden Kräfte und Bewegungen möglichst exakt zu ermitteln.
Für Unfallbeteiligte ist eine solche Begutachtung aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Sie dient als objektive Grundlage zur Klärung der Schuldfrage, was entscheidend für die Regulierung von Schadensersatzansprüchen sein kann. Gerade bei komplexen Unfallsituationen oder widersprüchlichen Aussagen der Beteiligten kann ein unfallanalytisches Gutachten Klarheit schaffen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbindung zwischen dem Unfallgeschehen und eventuell erlittenen Verletzungen. Die genaue Analyse der Kräfte und Bewegungsabläufe ermöglicht es, Rückschlüsse auf die Entstehung bestimmter Verletzungsmuster zu ziehen. Dies ist besonders relevant bei nicht sofort erkennbaren oder erst später auftretenden Beschwerden, wie beispielsweise Verletzungen der Halswirbelsäule.
Die unfallanalytische Begutachtung umfasst in der Regel mehrere Schritte. Zunächst werden alle verfügbaren Informationen wie Polizeiberichte, Fotos vom Unfallort und Zeugenaussagen gesammelt. Anschließend erfolgt eine detaillierte Untersuchung der beteiligten Fahrzeuge, um Aufprallstellen und Verformungen zu dokumentieren. Diese Daten werden dann mithilfe spezieller Software ausgewertet, um den Unfallablauf zu simulieren.
Besonders wertvoll ist die unfallanalytische Begutachtung in Kombination mit einer medizinischen Dokumentation der Verletzungen. Die Zusammenführung technischer und medizinischer Erkenntnisse ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung des Unfallgeschehens. So können beispielsweise bestimmte Verletzungsmuster mit spezifischen Aufprallsituationen in Verbindung gebracht werden, was die Plausibilität von Schadensersatzforderungen untermauern kann.
Für Unfallbeteiligte bietet eine unfallanalytische Begutachtung somit mehrere Vorteile. Sie schafft eine solide Beweisgrundlage für rechtliche Auseinandersetzungen, unterstützt bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche und kann dazu beitragen, ungerechtfertigte Forderungen abzuwehren. Zudem kann sie helfen, die psychische Belastung nach einem Unfall zu reduzieren, indem sie Klarheit über den tatsächlichen Hergang schafft.
Es ist wichtig zu betonen, dass eine unfallanalytische Begutachtung möglichst zeitnah nach dem Unfall in Auftrag gegeben werden sollte. Je früher die Spuren gesichert und ausgewertet werden, desto präziser und aussagekräftiger ist das Ergebnis. Dies gilt insbesondere für Unfälle mit Personenschäden oder erheblichem Sachschaden, bei denen die Schuldfrage unklar ist oder Versicherungsleistungen strittig sein könnten.
Die Kosten für ein unfallanalytisches Gutachten können je nach Komplexität des Falls variieren. In vielen Fällen werden sie von der Versicherung übernommen, insbesondere wenn das Gutachten zur Klärung der Haftungsfrage beiträgt. Es empfiehlt sich, dies im Vorfeld mit der zuständigen Versicherung abzuklären.
Welche Arten von Gutachten werden im Rahmen einer unfallanalytischen Begutachtung erstellt?
Im Rahmen einer unfallanalytischen Begutachtung werden verschiedene Arten von Gutachten erstellt, die jeweils spezifische Aspekte des Unfallgeschehens beleuchten.
Das unfallanalytische Gutachten bildet die Grundlage der Begutachtung. Es rekonstruiert den Unfallhergang anhand technischer Daten wie Bremsspuren, Fahrzeugdeformationen und Straßenverhältnissen. Ziel ist es, den genauen Ablauf des Unfalls zu ermitteln und physikalische Größen wie Geschwindigkeiten und Beschleunigungen zu berechnen. Diese Informationen sind entscheidend für die Beurteilung der Unfallursache und möglicher Schuldfragen.
Darauf aufbauend wird häufig ein biomechanisches Gutachten erstellt. Dieses untersucht die Auswirkungen der im unfallanalytischen Gutachten ermittelten Kräfte auf den menschlichen Körper. Es bildet die Brücke zwischen den technischen Daten und der medizinischen Beurteilung. Biomechanische Gutachten analysieren, welche Belastungen auf die Unfallbeteiligten eingewirkt haben und ob diese geeignet sind, bestimmte Verletzungen zu verursachen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist das medizinische Gutachten. Es bewertet die tatsächlich eingetretenen Verletzungen und setzt diese in Beziehung zu den Erkenntnissen aus dem unfallanalytischen und biomechanischen Gutachten. Der medizinische Sachverständige beurteilt, ob die festgestellten Verletzungen mit dem rekonstruierten Unfallhergang vereinbar sind und in welchem Umfang sie auf das Unfallereignis zurückzuführen sind.
In komplexeren Fällen kann zusätzlich ein interdisziplinäres Zusammenhangsgutachten erforderlich sein. Hierbei arbeiten Experten verschiedener Fachrichtungen – typischerweise Unfallanalytiker, Biomechaniker und Mediziner – eng zusammen, um eine ganzheitliche Beurteilung des Unfallgeschehens und seiner Folgen vorzunehmen. Dies ist besonders wertvoll, wenn die Kausalität zwischen Unfall und Verletzungen nicht eindeutig ist.
Bei Unfällen mit Nutzfahrzeugen wird oft ein spezielles Gutachten zur Ladungssicherung erstellt. Dieses untersucht, ob mangelhafte oder fehlende Ladungssicherung zum Unfallgeschehen beigetragen hat. Solche Gutachten sind wichtig für die Klärung von Haftungsfragen, insbesondere wenn Speditionen oder Verlader involviert sind.
In bestimmten Fällen kann auch ein psychologisches Gutachten relevant sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn psychische Folgen des Unfalls, wie etwa posttraumatische Belastungsstörungen, zu beurteilen sind oder wenn die Fahrtüchtigkeit eines Beteiligten aufgrund psychischer Faktoren in Frage steht.
Die verschiedenen Gutachtenarten ergänzen sich gegenseitig und ermöglichen eine umfassende Beurteilung des Unfallgeschehens. Sie bilden die Grundlage für rechtliche Entscheidungen in Straf- und Zivilprozessen sowie für die Regulierung von Schadensersatzansprüchen. Die Kombination dieser Gutachten ermöglicht eine präzise Rekonstruktion des Unfalls, eine fundierte Beurteilung der Verletzungen und eine sachgerechte Einschätzung der Kausalzusammenhänge.
Wann ist eine unfallanalytische Begutachtung erforderlich und wer entscheidet darüber?
Eine unfallanalytische Begutachtung ist in verschiedenen Situationen erforderlich, um den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren und wichtige Fragen zu klären. Besonders relevant wird sie bei schweren Verkehrsunfällen mit Personenschäden oder erheblichen Sachschäden. In solchen Fällen kann die detaillierte Analyse durch einen Sachverständigen entscheidend sein, um die Unfallursache, den Ablauf und mögliche Vermeidbarkeit zu ermitteln.
Die Notwendigkeit einer unfallanalytischen Begutachtung ergibt sich häufig, wenn Unklarheiten oder Widersprüche in den Aussagen der Beteiligten bestehen. Auch bei komplexen Unfallszenarien, etwa Massenkarambolagen oder Unfällen mit ungewöhnlichen Fahrzeugbewegungen, ist eine solche Analyse oft unerlässlich. Sie hilft dabei, die physikalischen Gegebenheiten und technischen Aspekte des Unfalls zu verstehen und zu bewerten.
Ein weiterer wichtiger Anlass für eine unfallanalytische Begutachtung kann die Klärung von Haftungsfragen sein. Wenn es Zweifel an der Schuldfrage gibt oder die Versicherungen sich nicht einigen können, kann ein Gutachten zur Objektivierung der Sachlage beitragen. Dabei werden nicht nur die unmittelbaren Unfallspuren, sondern auch Faktoren wie Sichtverhältnisse, Reaktionszeiten und Fahrzeugtechnik berücksichtigt.
Die Entscheidung über die Durchführung einer unfallanalytischen Begutachtung liegt in verschiedenen Händen, je nach Kontext des Unfalls. Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kann das zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei ein solches Gutachten anordnen. Richter haben hier einen Ermessensspielraum, ob sie ein Gutachten für notwendig erachten, um den Sachverhalt aufzuklären.
Außergerichtlich können auch Versicherungsgesellschaften die Initiative ergreifen und eine unfallanalytische Begutachtung in Auftrag geben. Dies geschieht oft, wenn die Schadenshöhe erheblich ist oder Zweifel an der Darstellung des Unfallhergangs bestehen. In solchen Fällen tragen die Versicherungen in der Regel die Kosten für das Gutachten.
Privatpersonen haben ebenfalls die Möglichkeit, eigenständig einen Sachverständigen zu beauftragen. Dies kann sinnvoll sein, wenn man sich in einer Auseinandersetzung mit der gegnerischen Versicherung befindet oder die eigene Position in einem möglichen Rechtsstreit stärken möchte. Allerdings sollte man bedenken, dass die Kosten hierfür zunächst selbst zu tragen sind.
Bei der Entscheidung für oder gegen ein unfallanalytisches Gutachten spielen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Die Kosten für ein solches Gutachten können je nach Komplexität des Falls erheblich sein. Daher wird abgewogen, ob der potenzielle Nutzen des Gutachtens die Kosten rechtfertigt. In manchen Fällen kann ein vorläufiges Kurzgutachten oder eine erste Einschätzung eines Sachverständigen helfen, die Notwendigkeit einer umfassenden Analyse zu beurteilen.
Es ist wichtig zu beachten, dass in bestimmten Fällen eine unfallanalytische Begutachtung mit einer verletzungsmechanischen und medizinischen Begutachtung kombiniert werden kann. Dies ist besonders relevant, wenn es um die Beurteilung von Verletzungsmustern und deren Übereinstimmung mit dem angenommenen Unfallhergang geht. Eine solche interdisziplinäre Herangehensweise kann ein umfassenderes Bild des Unfallgeschehens liefern und ist besonders bei komplexen Personenschäden von Bedeutung.
Die Durchführung einer unfallanalytischen Begutachtung kann auch präventive Aspekte haben. Die gewonnenen Erkenntnisse können dazu beitragen, ähnliche Unfälle in Zukunft zu vermeiden, indem Schwachstellen in der Verkehrsführung oder bei Sicherheitssystemen identifiziert werden. In diesem Sinne dient die Unfallanalytik nicht nur der Aufklärung des konkreten Falls, sondern auch der allgemeinen Verkehrssicherheit.
Wie kann ich micherstellen, dass das Gutachten fachgerecht und neutral erstellt wird?
Um ein fachgerechtes und neutrales Gutachten sicherzustellen, gibt es mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Zunächst ist die Auswahl eines qualifizierten und unparteiischen Sachverständigen von zentraler Bedeutung. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige bieten hier in der Regel eine hohe Gewähr für Fachkompetenz und Neutralität. Sie unterliegen strengen berufsethischen Verpflichtungen und müssen ihre Sachkunde regelmäßig nachweisen.
Bei der Begutachtung selbst haben Betroffene das Recht auf eine faire und unvoreingenommene Behandlung. Der Sachverständige muss den zu begutachtenden Sachverhalt objektiv und umfassend untersuchen. Dazu gehört, dass er alle relevanten Aspekte berücksichtigt und keine wichtigen Informationen auslässt. Eine einseitige oder tendenziöse Darstellung ist unzulässig und kann zur Ablehnung des Gutachtens führen.
Ein fachgerechtes Gutachten zeichnet sich durch eine klare Struktur und nachvollziehbare Argumentation aus. Es sollte den Untersuchungsauftrag präzise wiedergeben, die angewandten Methoden transparent darlegen und zu fundierten Schlussfolgerungen kommen. Wichtig ist auch, dass der Sachverständige die Grenzen seiner Expertise kennt und respektiert. Er darf sich nur zu Fragen äußern, für die er tatsächlich qualifiziert ist.
Betroffene haben grundsätzlich das Recht, an der Begutachtung mitzuwirken und ihre Sichtweise einzubringen. Allerdings kann ein Gutachten auch dann verwertbar sein, wenn der Betroffene nicht aktiv daran mitgewirkt hat. Entscheidend ist, dass sich der Sachverständige einen persönlichen Eindruck verschafft hat, sei es durch direkte Untersuchung oder zumindest durch Beobachtung.
Nach Fertigstellung des Gutachtens haben Betroffene in vielen Fällen ein Recht auf Einsichtnahme. Dies ermöglicht es ihnen, die Schlussfolgerungen des Sachverständigen nachzuvollziehen und gegebenenfalls Einwände zu erheben. Sollten Zweifel an der Neutralität oder Fachkompetenz des Gutachters bestehen, kann unter Umständen ein Gegengutachten in Auftrag gegeben werden.
Ein neutrales Gutachten zeichnet sich durch eine sachliche und ausgewogene Darstellung aus. Der Sachverständige sollte keine Partei ergreifen, sondern den Sachverhalt objektiv beurteilen. Formulierungen, die eine Voreingenommenheit erkennen lassen, sind zu vermeiden. Stattdessen sollte das Gutachten eine klare Trennung zwischen Befunden, fachlicher Beurteilung und persönlicher Einschätzung erkennen lassen.
Bei medizinischen Gutachten, etwa nach einem Unfall, ist besondere Sorgfalt geboten. Der Gutachter muss sowohl die unfallanalytischen als auch die verletzungsmechanischen Aspekte berücksichtigen. Er sollte die Kausalität zwischen Unfallereignis und festgestellten Verletzungen kritisch prüfen und alternative Erklärungen in Betracht ziehen.
Letztlich ist es wichtig zu verstehen, dass ein Gutachten zwar eine wichtige Entscheidungsgrundlage darstellt, aber nicht unumstößlich ist. Gerichte und andere Entscheidungsträger sind verpflichtet, sich kritisch mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und es im Kontext aller vorliegenden Beweise zu würdigen.
Was passiert, wenn die unfallanalytische Begutachtung fehlerhaft oder unvollständig ist?
Bei fehlerhaften oder unvollständigen unfallanalytischen Gutachten können für die Betroffenen erhebliche Nachteile entstehen. Grundsätzlich dienen solche Gutachten dazu, den Unfallhergang und die daraus resultierenden Schäden objektiv zu bewerten. Weist ein Gutachten jedoch Mängel auf, kann dies zu einer falschen Einschätzung der Schuldfrage oder einer unzureichenden Schadensregulierung führen.
In solchen Fällen haben Geschädigte verschiedene Möglichkeiten, gegen ein fehlerhaftes Gutachten vorzugehen. Ein zentrales Recht ist die freie Wahl eines eigenen Sachverständigen bei unverschuldeten Unfällen. Dies ermöglicht es, ein unabhängiges Gegengutachten erstellen zu lassen, das eventuelle Fehler oder Unvollständigkeiten des ersten Gutachtens aufdecken kann. Die Kosten für dieses Gutachten muss in der Regel die gegnerische Haftpflichtversicherung tragen, sofern der Schaden über der Bagatellgrenze von etwa 750 Euro liegt.
Stellt sich heraus, dass das ursprüngliche Gutachten tatsächlich fehlerhaft war, kann dies weitreichende Folgen haben. Die Versicherung ist verpflichtet, auch die Kosten eines fehlerhaften Gutachtens zu übernehmen, solange der Fehler nicht auf vorsätzlichem Handeln des Gutachters oder auf Falschangaben des Geschädigten beruht. Dies basiert auf dem Grundsatz, dass die Arbeit des Sachverständigen zur Schadensregulierung beiträgt, auch wenn dabei Fehler unterlaufen.
Bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Gutachtens besteht die Möglichkeit, konkrete Einwände vorzubringen und eine Nachbesserung oder Ergänzung zu fordern. Dies gilt sowohl für Privatgutachten als auch für gerichtlich bestellte Sachverständigengutachten. Im Zivilprozess setzt das Gericht den Parteien in der Regel eine Frist zur Stellungnahme, innerhalb derer Einwendungen, Anträge und Ergänzungsfragen vorgebracht werden können.
Besonders kritisch wird es, wenn ein Gutachten wissentlich und willentlich fehlerhaft erstellt wurde. In solchen Fällen kann der Geschädigte sogar Schadensersatzansprüche gegen den Gutachter geltend machen. Dies setzt jedoch voraus, dass dem Gutachter eine betrügerische Absicht nachgewiesen werden kann, was in der Praxis oft schwierig ist.
Im medizinischen Kontext, etwa bei der Begutachtung von Unfallverletzungen, können fehlerhafte Gutachten besonders schwerwiegende Folgen haben. Hier geht es nicht nur um materielle Schäden, sondern um die korrekte Einschätzung von Verletzungen und deren langfristigen Auswirkungen. Ein unvollständiges oder fehlerhaftes verletzungsmechanisches Gutachten kann dazu führen, dass Unfallfolgen unterschätzt oder nicht anerkannt werden.
In komplexen Fällen, bei denen die Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens nicht eindeutig festgestellt werden kann, besteht die Möglichkeit, ein gerichtliches Sachverständigenverfahren einzuleiten. Hierbei wird ein unabhängiger, vom Gericht bestellter Gutachter mit der erneuten Prüfung beauftragt. Dessen Einschätzung hat in der Regel ein höheres Gewicht als die von Privatgutachtern.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Abweichung oder jeder kleine Fehler in einem Gutachten automatisch zu dessen Ungültigkeit führt. Gerichte und Versicherungen berücksichtigen in der Regel die Gesamtumstände und die Wesentlichkeit der Fehler für die Schadensbeurteilung. Dennoch sollten Betroffene bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Gutachtens nicht zögern, ihre Rechte wahrzunehmen und eine erneute Prüfung zu fordern.
Die Möglichkeit, fehlerhafte Gutachten anzufechten und korrigieren zu lassen, ist ein wichtiger Bestandteil des Rechtssystems, um eine faire und gerechte Schadensregulierung zu gewährleisten. Sie dient dazu, potenzielle Ungerechtigkeiten auszugleichen und sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte eines Unfalls angemessen berücksichtigt werden.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Schmerzensgeld: Eine finanzielle Entschädigung für körperliche oder seelische Schmerzen, die durch eine Verletzung oder einen Unfall verursacht wurden. Es soll den Geschädigten für das erlittene Leid und die Beeinträchtigung seiner Lebensqualität entschädigen. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Schwere der Verletzung, der Dauer der Schmerzen und den individuellen Umständen des Geschädigten.
- Beweisaufnahme: Die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens durchgeführte Sammlung und Bewertung von Beweismitteln, um den Sachverhalt aufzuklären und die Wahrheit zu finden. Hierzu können Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Urkunden oder andere Beweismittel herangezogen werden. Im vorliegenden Fall wurde die erstinstanzliche Beweisaufnahme vom Oberlandesgericht als fehlerhaft beanstandet, da wichtige medizinische Gutachten fehlten.
- Sachverständiger: Eine Person mit besonderer Sachkunde auf einem bestimmten Fachgebiet, die vom Gericht oder einer Partei beauftragt wird, ein Gutachten zu erstellen. Der Sachverständige soll aufgrund seiner Fachkenntnisse und Erfahrung eine objektive Bewertung abgeben und das Gericht bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Im vorliegenden Fall wurden verschiedene medizinische Sachverständige (Orthopäde, Unfallchirurg, Zahnarzt, Psychiater) beauftragt, um die Unfallfolgen zu beurteilen.
- Unfallanalytische Begutachtung: Eine Untersuchung, die den genauen Hergang eines Unfalls rekonstruiert, um die Ursachen und den Ablauf des Geschehens zu ermitteln. Dabei werden verschiedene Faktoren wie Geschwindigkeit, Bremsweg, Sichtverhältnisse und andere relevante Umstände berücksichtigt. Die unfallanalytische Begutachtung kann helfen, die Schuldfrage zu klären und die Haftung der Beteiligten zu bestimmen.
- Verletzungsmechanische Begutachtung: Eine Untersuchung, die sich auf die Entstehung und Art der Verletzungen bei einem Unfall konzentriert. Dabei wird analysiert, welche Kräfte auf den Körper eingewirkt haben und wie diese zu den Verletzungen geführt haben. Diese Begutachtung ist wichtig, um den Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Verletzungen des Geschädigten festzustellen und die Höhe des Schadensersatzes zu bestimmen.
- Kausalzusammenhang: Der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Handlung oder einem Ereignis (hier dem Unfall) und einem bestimmten Schaden (hier den Verletzungen und Beschwerden der Kläger). Im vorliegenden Fall muss nachgewiesen werden, dass die gesundheitlichen Probleme der Kläger auf den Unfall zurückzuführen sind. Dies kann durch medizinische Gutachten und andere Beweismittel geschehen. Der Nachweis des Kausalzusammenhangs ist entscheidend für die Frage, ob und in welcher Höhe der Schädiger zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 287 ZPO (Beweismaß): § 287 ZPO findet Anwendung, wenn ein Beweis nicht mit absoluter Sicherheit geführt werden kann. In diesen Fällen genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die gesundheitlichen Beschwerden der Kläger auf den Unfall zurückzuführen sind. Da dies nicht mit absoluter Sicherheit bewiesen werden kann, reicht es aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang besteht.
- § 249 BGB (Schadensersatz): § 249 BGB regelt den Anspruch auf Schadensersatz. Ziel ist es, den Geschädigten so zu stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Im vorliegenden Fall geht es um Schmerzensgeld, das den Klägern zusteht, wenn ihre Verletzungen auf den Unfall zurückzuführen sind.
- § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): § 823 BGB begründet die Schadensersatzpflicht bei Verletzung eines geschützten Rechtsguts, z.B. der Gesundheit. Im vorliegenden Fall wurde die Gesundheit der Kläger durch den Unfall verletzt. Die Beklagte, bei der das unfallverursachende Fahrzeug versichert war, ist daher grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet.
- § 630h BGB (ärztliche Behandlung): § 630h BGB regelt die Anforderungen an die ärztliche Behandlung. Im vorliegenden Fall ist die Qualität der medizinischen Gutachten entscheidend für die Beurteilung der Unfallfolgen und damit für die Höhe des Schmerzensgeldes. Das Gericht hat die erstinstanzliche Begutachtung als mangelhaft kritisiert und neue Gutachten angeordnet, um die Anforderungen des § 630h BGB zu erfüllen.
- § 286 ZPO (Beweislast): § 286 ZPO regelt die Beweislast. Grundsätzlich muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen. Im vorliegenden Fall müssen die Kläger beweisen, dass ihre gesundheitlichen Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen sind. Da bei ihnen unstreitig Primärverletzungen vorlagen, gilt jedoch der gelockerte Beweismaßstab des § 287 ZPO.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 10 U 1124/15 – Urteil vom 23.10.2015
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1. Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das Endurteil des LG Landshut vom 10.02.2015 (Az. 51 O 1758/12) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Landshut zurückverwiesen.
2. Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das Endurteil des LG Landshut vom 10.02.2015 (Az. 51 O 1759/12) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen wurde, und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Landshut zurückverwiesen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Landshut vorbehalten.
Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Schmerzensgeld und Feststellung aus einem Verkehrsunfall vom 21.02.2006 zwischen E. und B. geltend. Die Kläger waren Beifahrer im Fahrzeug Golf, das mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug kollidierte, das ein Stoppschild überfuhr. Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
Die Klägerin Nina D. behauptet, als Folge des Unfalls habe sie die im Attest des Dr. O. vom 07.12.2010 (Anlage K 9, Az. 51 O 1758/12) beschriebenen Folgen erlitten und leide heute noch daran, ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000,00 € sei angemessen.
Der Kläger Marcel D. behauptet, als Folge des Unfalls habe er die im Attest des Dr. O. vom 09.06.2009 (Anlage K 5, Az. 51 O 1759/12) beschriebenen Folgen erlitten und leide heute noch daran, ein Schmerzensgeld von mindestens 30.000,00 € sei angemessen.
Die Beklagten tragen vor, die von den Klägern behaupteten Beschwerden seien weitgehend allgemeiner Art und stammten nicht vom Unfall.
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf die angefochtenen Urteile vom 10.02.2015 (Bl. I 267/274 d. A. [Nina D.] und Bl. II 265/273 d.A. [Marcel D.]) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG Landshut hat nach Beweisaufnahme die Klage gegen die Klägerin zu 1) Nina D. abgewiesen, die Klage des Klägers Marcel D. nach Zubilligung eines Schmerzensgelds in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Auslagen und der Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, im Übrigen abgewiesen.
Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen diese der Klägerin zu 1) am 26.02.2015 und dem Kläger zu 2) am 27.02.2015 zugestellten Urteile haben die Kläger jeweils mit einem beim Oberlandesgericht München am 25.03.2015 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. II 287 d. A. [Nina D.] und Bl. II 281 d.A. [Marcel D.]) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit beim Oberlandesgericht München am 05.05.2015 eingegangenen Schriftsätzen unter Vertiefung des bisherigen Vortrags mit der Rüge, beantragte Beweiserhebungen seien unterblieben oder nur unzureichend durchgeführt worden, begründet (Bl. II 293/310 d. A. [Nina D.] und Bl. II 304/321 d.A. [Marcel D.]).
Die Klägerin zu 1) beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein, über bereits gezahlte 3.000,00 € hinaus, angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie einen Betrag von 1.647,44 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen und zudem festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.02.2006 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Landshut vom 10.02.2015 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückzuverweisen.
Der Kläger zu 2) beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus an den Kläger ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie einen Betrag von 803,60 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen und zudem unter teilweiser Abänderung des am 10.02.2015 verkündeten Urteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.02.2006 zu ersetzen.
Hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Landshut vom 10.02.2015 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des Ersturteils, die Berufungen zurückzuweisen.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 16.06.2015 (Bl. II 315/316 d. A.) die Verfahren der Kläger gemäß § 147 ZPO verbunden, das Verfahren 10 U 1124/15 führt.
Ergänzend wird neben den Berufungsbegründungen und Berufungserwiderungen auf die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 23.10.2015 (Bl. 335/340 d. A.) Bezug genommen.
B.
Die statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten, somit zulässigen Berufungen der Kläger haben in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
I. Das Landgericht hat nach derzeitigem Verfahrensstand zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin zu 1) verneint, einen weitergehenden Anspruch des Klägers zu 2) auf Schmerzensgeld zurückgewiesen.
1. Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweisaufnahme und Beweiswürdigung des Erstgerichts nur gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. zuletzt BGH VersR 2005, 945; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 21.06.2013 – 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat, a.a.O. ); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a.a.O. ; Senat, a.a.O. ). Solche konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung sind von den Berufungsführern aufgezeigt worden.
2. Technische und medizinische Sachverständigengutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO (BGH NJW 2008, 2845, 2848; Senat, NJW 2011, 3729 [3730 unter I 3 b] m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319). Dabei hat das Gutachten eines vom Gericht ernannten Sachverständigen keinen „Anschein der Richtigkeit“ für sich, der von einer Prozesspartei entkräftet werden müsste (BGH MDR 1982, 212 = VersR 1981, 1151). Das Gericht muss Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger vielmehr selbst sorgfältig und kritisch prüfen (vgl. etwa BVerfGE 91, 176 = NJW 1995, 40; BGH NJW 1986, 1928 (1930); NJW-RR 1995, 914 (915); NJW-RR 1998, 1117 (1118 unter II 2); NJW 1999, 3408; BGHZ 116, 47, 58; NJW 2001, 1787 (unter II 2); BGHZ 169, 30; BGH WM 2007, 1901; BGH NJW 2010, 3230; BGH VersR 2011, 400 (402); ferner BGHSt. 8, 113).
Unverzichtbar ist das Vorliegen der formalen Sachkompetenz des Sachverständigen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der formalen Sachkompetenz ist grundsätzlich die Bestellung (die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger erfolgt für ein bestimmtes Sachgebiet [vgl. §§ 3 Abs. 1; 7; 12 Abs. 1 und 3 MSVO/DIHT sowie § 1 Nr. 1.3 der Richtlinien zur MSVO/DIHT]; zur forensischen Bedeutung der Bestellung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen siehe Bayerlein/Mayr § 28 Rz. 17) und im Bereich der Medizin die Facharztzulassung (BGH NJW-RR 2011, 649; Senat, Urt. v. 15.04.2011 – 10 U 5655/10 [Juris, dort Rz. 28]; v. 21.10.2011 – 10 U 1995/11).
Weiter bedarf es der eigenen Untersuchung der Kläger durch den Sachverständigen (BGH NZV 2008, 502).
3. Grundsätzlich ist bei den von den Klägern vorgetragenen Beschwerden eine unfallanalytisch – verletzungsmechanisch – medizinische Begutachtung erforderlich. Die unfallanalytische Untersuchung bestimmt zunächst aufgrund von Brems- und Kontaktspuren, Beschädigungsbildern der Fahrzeuge sowie anhand von Reparaturrechnungen unter Zuhilfenahme physikalischer Gesetze den Unfallhergang. Sie muss der verletzungsmechanischen Beurteilung vorausgehen (Senat NJW 2011, 3729). Die verletzungsmechanische Begutachtung bestimmt die individuelle Belastung, welcher der Betroffene ausgesetzt war (Senat SP 2012, 111). Sie berücksichtigt über die Unfalldaten hinaus u. a. die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (∆ v) des Fahrzeugs, die mittlere und maximale Beschleunigung, die Richtung der einwirkenden Beschleunigungskräfte sowie die konstitutionellen und medizinischen Besonderheiten der betroffenen Person im Einzelfall. Die verletzungsmechanische Beurteilung baut die Brücke zwischen der vom Unfallanalytiker erstellten Unfallrekonstruktion und der medizinischen Begutachtung (Senat NJW 2011, 3729), die im Rahmen einer eingehenden Untersuchung unter Auswertung der ärztlich dokumentierten subjektiven Beschwerden und objektiven Befunde (klinische und bildgebende Untersuchungen u. s. w.) die individuelle (biologische) Belastbarkeit zum Gegenstand hat. Der medizinischen Begutachtung kommt rechtlich ausnahmslos die sachverständige Letztentscheidung zu (BGH NJW 2003, 1116: BGH NJW 2008, 2845; KG NZV 2004, 460; VersR 2006, 1233 f.; VRS 115, 330 ff.).
4. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze erscheint das erstinstanzliche Beweisaufnahmeverfahren nicht ohne Fehler. Zutreffend haben die Kläger in ihren Berufungsbegründungen darauf hingewiesen, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. H. keine Bestellung als Sachverständiger für biomechanische Gutachten aufweist. Das Erstgericht hätte daher darzulegen gehabt, welche besonderen Umstände hier vorliegen, entgegen § 404 II ZPO diesen Sachverständigen zu einem biomechanischen Gutachten zu beauftragen. Ebenfalls erscheint es bedenklich, dass der Sachverständige Dr. H. zu einem medizinischen Sachverständigengutachten beauftragt wird, wenn er gerade hinsichtlich aller medizinischer Sachfragen keine Facharztzulassung besitzt und demgemäß ein zahnmedizinisches und vor allem orthopädisches Zusatzgutachten beauftragen musste, wobei sowohl Gutachter als auch Erstgericht übersehen haben, dass verfahrensfehlerhaft die vorgetragenen psychischen Beeinträchtigungen der Kläger überhaupt nicht untersucht wurden. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb das medizinische Gesamtgutachten von einem Arzt vorgenommen wird, der weder die fallbezogenen Fachkenntnisse besitzt, noch die Kläger selbst körperlich untersucht hat. Angesichts des jungen Alters der Kläger und der hohen Beschleunigung, die der Körper der Kläger beim Unfall auch nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. ausgesetzt war, ist die an das Gutachtensergebnis angelehnte Beweiswürdigung des Landgerichts, die Beschwerden der Kläger, die als solche offenbar nicht angezweifelt werden, müssten unfallunabhängige Ursachen haben, wenig überzeugend, da auch nicht ansatzweise plausibel erörtert wurde, welche anderen Ursachen bei so jungen Menschen in Betracht kämen, sind degenerative Veränderungen in diesem Alter doch eher nicht zu erwarten.
5. Der Senat ist weiter der Auffassung, dass hier ausnahmsweise eine Einvernahme der behandelnden Ärzte, wie von der Klägerin beantragt, unverzichtbar war. Denn die Feststellungen der behandelnden Ärzte sind eine wichtige Erkenntnisquelle (BGH NJW-RR 2008, 1380; OLG Köln NJW-RR 1999, 720; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.2002 – I-1 U 142/01 (juris) und NJW 2011, 3043; Senat in st. Rspr., etwa Urt. v. 21.5.2010 – 10 U 2853/06 (juris, dort Rz. 266). Sie genügen zwar alleine nicht zur Klärung der regelmäßig entscheidenden Frage des Kausalzusammenhangs vgl. etwa BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a. E.; NJW-RR 2008, 1380). Hier ist jedoch bedeutsam, dass die Einvernahme der die Kläger länger behandelnden Ärzte Hinweise erwarten ließen, weshalb die für das Alter der Kläger geklagten Beschwerden unfallunabhängig entstanden sein sollen.
6. Zugunsten der Kläger darf zuletzt nicht übersehen werden, dass auch nach dem erstinstanzlichen Tatbestand Primarverletzungen bei beiden Klägern unstreitig sind (vgl. jeweils S. 2 der erstinstanzlichen Urteile), so dass sich die Frage von weiteren Verletzungen bzw. Beschwerden nach dem Beweismaßstab des § 287 ZPO richtet. Denn bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem unstrittigen oder bewiesenen Haftungsgrund (Rechtsgutverletzung) und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO; vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301; 126, 217 ff. = NJW 1994, 3295 ff.; VersR 1968, 850 [851]; 1975, 540 [541]; NJW-RR 1987, 339; NJW 2003, 1116 [1117]; 2004, 777 [778]; Senat NZV 2006, 261 [262]; r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluß v. 08.05.2007 – VI ZR 29/07 zurückgewiesen]; Urt. v. 19.03.2010 – 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 33). Zwar kann der Tatrichter auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt. Hier genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere oder überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301, st. Rspr., zuletzt etwa BGHZ 159, 254 = NJW 2004, 2828; Senat NZV 2006, 261 [262]; r+s 2006, 474, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2011, 396 [397]; OLG Schleswig NZV 2007, 203 [204]; LG Leipzig NZV 2012, 329 [331]).
II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber – entgegen seiner sonstigen überwiegenden Praxis – aus folgenden Gründen dagegen entschieden:
1. Ein unberechtigtes Übergehen von Beweisanträgen (Einvernahme der behandelnden Ärzte und Erholung von medizinischen Sachverständigengutachten), also eine (erheblich) mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel als Ausfluss der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 50, 32 = NJW 1979, 413; BVerfGE 60, 247 [249]; 69, 145 = NJW 1985, 1150; BVerfG NJW 2003, 125 [127]; NJW 2005, 1487; BGH NJW-RR 2008, 414; Beschl. v. 28.04.2011 – V ZR 220/10 [juris, dort Rz. 11 ff.]; v. 21.07.2011 – IV ZR 216/09 [juris]; OLG München SchiedsVZ 2011, 230 ff.) und begründet, da es sich bei dem Gebot der Ausschöpfung der angebotenen Beweise um das Kernstück des Zivilprozesses handelt (Senat NJW 1972, 2048 [2049]), einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne § 538 II 1 Nr.1 ZPO dar (BGH NJW 1951, 481 [482]; VersR 2011, 1392 [1394 unter Tz. 21]; Senat NJW 1972, 2048, st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 10.02.2012 – 10 U 4147/11 [juris, dort Rz. 8]; OLG München, Urt. v. 25.04.2012 – 3 U 4323/11 [juris, dort Rz. 60]; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.04.2010 – 9 U 133/09 [juris, dort Rz. 29]; NJW-RR 2010, 1689; KG, Urt. v. 14.02.2010 – 12 U 67/10 [juris]; Beschl. v. 02.08.2010 – 12 U 49/10 [juris, dort Rz. 52]; OLG Zweibrücken NJW-RR 2011, 496 [498]; NZV 2012, 295 [296 a. E.]; OLG Jena NJW 2012, 2357 f.; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 3. Aufl. 2004, § 538 Rz. 27; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 538 Rz. 25).
Es bedarf bei beiden Klägern nach einer Zurückverweisung in jedem Fall der Erholung eines biomechanischen Gutachtens durch einen für Verletzungsmechanik öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Sachverständigen. Hinsichtlich der zu erholenden medizinischen Sachverständigengutachten ist darauf zu achten, dass der Sachverständige, der das Gesamtgutachten zu erstellen hat, jedenfalls die Fachkompetenz in einem der hier betroffenen Fachgebiete haben sollte, sodass ohne weiteres vorstellbar wäre, dass ein Orthopäde oder Unfallchirurg als Hauptgutachter und zusätzlich ein zahnmedizinischer Zusatzgutachter beauftragt wird. Weiter bedarf es dann auch noch der Erholung eines psychiatrischen Gutachtens bezüglich beider Kläger. Entscheidend wird bei den medizinischen Gutachten auch sein, abzuklären, ob und warum die Kläger erst Jahre nach dem Unfall zum Arzt gegangen sind (vgl. Anlagen K 9 und K 5, s.o.). Es bedarf hierzu eines weiteren Vortrags durch die Kläger, weshalb man angesichts der jetzt vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht schon früher zum Arzt gegangen ist. Auf der anderen Seite haben die Ärzte zu klären, welche anderen Ursachen für die gesundheitlichen Beschwerden der Kläger in Betracht kommen, wenn sie nicht vom Unfall her stammen sollen.
Eine Beweisaufnahme in dem vorstehend beschriebenen Umfang wäre umfangreich i. S. d. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO und würde den Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren zum Teil erstmaligen Beweisaufnahme an Stelle der 1. Instanz (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]) und zur vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat NJW 2011, 396 [397]) zwingen.
Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls erstmalig auch zur Höhe entschieden werden müsste (vgl. Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).
2. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil, dass eine gewisse Verzögerung und Verteuerung des Prozesses eintritt, muss hingenommen werden, wenn es darum geht, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und dass den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge voll erhalten bleiben (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.
3. Die Frage der Zurückverweisung wurde auch in der mündlichen Verhandlung mit den Parteivertretern ausführlich erörtert. Beide Parteivertreter sind einer Zurückverweisung nicht entgegengetreten.
III. Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufungen erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729).
Die Gerichtskosten waren gem. § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel, welcher allein gem. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann, denknotwendig ein offensichtlicher Verstoß gegen eine klare gesetzliche Regelung ist, was Voraussetzung für eine Kostenniederschlagung ist (vgl. BGH NJW 1962, 2107; BGHZ 98, 318 [320] = NJW 1987, 1023; BGH, Beschl. v. 27.01.1994 – V ZR 7/92 [juris]; NJW-RR 2003, 1294; 2005, 1230; BFH BFH/N. V. 2014, 867; OLG Köln NJW 2004, 521; FamRZ 2014, 1800 [zur parallelen Vorschrift § 20 FamGKG]; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. NJW 2011, 396 [397] und 2011, 3729; ferner OLG München, Urt. v. 11.07.2013 – 23 U 695/13 [juris, dort Rz. 22]).
§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Köln FamRZ 2014, 1800 für die Verkennung der Darlegungs- und Beweislast; OLG Koblenz MDR 2013, 1366; für eine Beweiserhebung über eine unstreitige Tatsache; OLG München, Urt. v. 19.03.2010 – 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 40, 92, 93], v. 27.01.2012 – 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 5, 6, 12] und v. 11.07.2013 – 23 U 695/13 [juris, dort Rz. 22] für das Übergehen von Beweisanträgen; OLG Celle OLGR 2005, 723 = BauR 2006, 388 für eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Höhe vor Klärung des Anspruchsgrundes; OLG Brandenburg OLGR 2004, 277 und OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151 für die Einholung eines unzulässigen Rechtsgutachtens über inländisches Recht; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 – 10 U 2272/08 für die Verwertung eines Gutachtens eines wegen Befangenheit ausgeschlossenen Sachverständigen). Vorliegend handelt es sich um einen solchen Fall (s.o.).
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf die §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. NJW 2011, 396 [397] und 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a.a.O. ).
V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.