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Verkehrsunfall – Verletzung Schadensminderungspflicht bei Unfallfahrzeugverkauf

AG Kaiserslautern – Az.: 12 C 1759/13 – Urteil vom 27.06.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.888,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.09.2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 213,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.12.2013 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits  zu tragen.

4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden  Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 19.07.2013 in Kaiserslautern ereignete. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten lediglich über die Schadenshöhe.

Mit Schreiben vom 23.07.2013 (Bl. 43 der Akte) meldeten die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei der Beklagten den Unfall an und wiesen darauf hin, dass sie zur Entgegennahme von Restwertangeboten nicht berechtigt seien.

Um den Unfallschaden zu ermitteln holte der Kläger ein Gutachten ein, welches dem Kläger am 26.07.2013 übermittelt wurde. Das Gutachten wies einen Wiederbeschaffungswert von 19.900,00 € und einen Restwert von 5.400,00 € aus. Dieses Gutachten erhielt die Beklagte am 05.08.2013.

Am 03.08.2013 verkaufte der Kläger sein beschädigtes Fahrzeug für 5.400,00 €.

Mit Schreiben vom 22.08.2013 übersandte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers die Endabrechnung des Versicherungsfalls.

Der Kläger trägt vor, er habe erstmals mit Schreiben vom 03.09.2013 ein Schreiben der Beklagten mit einem Restwertangebot erhalten.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.888,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.09.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die  Klägerin die ihr außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 213,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 03.01.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe dem Kläger bereits mit Schreiben vom 08.08.2013 ein verbindliches Restwertangebot gemacht, welches der Kläger bis zum 05.09.2013 hätte annehmen können. Auf das Schreiben vom 08.08.2013 (Anlage A1, Bl. 82 der Akte) wird verwiesen. Das Schreiben sei per Post versandt worden. Da kein Postrückläufer vorhanden sei, sei davon auszugehen, dass dieses dem Kläger zugegangen sei.

Dass der Beklagte das Fahrzeug bereits am 03.08.2013 verkauft habe, stelle ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, da er der Beklagten keine Gelegenheit gegeben habe, ein anderes Restwertangebot zu unterbreiten.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Der  Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 3.888,00 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 213,30 € gemäß §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 249 BGB. Lediglich hinsichtlich des Verzugsschadens ist die Klage teilweise abzuweisen.

Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherung dem Grunde nach unstreitig zu 100 Prozent hinsichtlich der unfallbedingten Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 19.07.2013.

Die Beklagte hat nach § 249 BGB den Wiederbeschaffungsaufwand, das heißt den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes zu ersetzen (BGHZ 115, 364, 372).

Der Wiederbeschaffungswert beträgt  unstreitig 19.000,00 €. Von diesem Wert sind 5.400,00 € Restwert abzuziehen. Die Beklagte hat dagegen bei ihrer Berechnung 9.288,00 € als Restwert zugrunde gelegt und auf dieser Basis abgerechnet (Bl. 49 der Akte), weshalb die Differenz der beiden Restwerte, mithin 3.888,00 € noch auszugleichen ist.

Dem steht auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot entgegen. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot darf sich der Geschädigte nur das in Rechnung stellen, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NJW 2010, 1445, BGHZ 115, 364).

Dem Gebot der Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 S. 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwertes verkauft oder in Zahlung gibt. Denn das Gutachten eines Sachverständigen bildet in der Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwertes, so dass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zugrunde legen darf. Der Schädiger kann den Geschädigten deshalb grundsätzlich nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertkäufer erzielen könnte (BGH NJW 2005, 3132; BGH Urt. v. 30.11.1999 Az.: VI ZR 219/98 zit. nach juris).

Zweifel an der Geeignetheit des privaten Sachverständigengutachtens werden nicht erhoben, so dass grundsätzlich auch auf den sich daraus ergebenden Restwert abgestellt werden kann.

Diese Grundsätze, schließen es freilich nicht aus, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Denn der Geschädigte steht bei der Schadensbehebung gemäß § 249 BGB nicht nur unter dem allgemeinen Gebot, einen wirtschaftlich zulässigen Weg zu wählen. Vielmehr kann er aus dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB (vgl. BGHZ  132, 373, 376) auch gehalten sein, unter besonderen Umständen von einer zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich im darbietende  Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen. Deshalb gilt der Grundsatz, dass  der von einem Sachverständigen ermittelte Restwert eine geeignete Grundlage für die Schadensabrechnung bilde, nur in aller Regel. Desgleichen können auch Ausnahmen von dem Grundsatz, dass sich der Geschädigte nicht auf spezialisierte Restwertaufkäufer verweisen zu lassen brauche, nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Doch müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzungen zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil andernfalls die dem Geschädigten nach § 249 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde (BGH NZV 2000, 162). Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Diese Stellung darf ihm durch eine zu weite Ausnahmehandhabung nicht genommen werden. Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden.

Dem Kläger hat sich vor Verkauf seines Fahrzeuges am 03.08.2013 gerade keine andere Möglichkeit geboten, das Fahrzeug zu einem höheren Restwert zu verkaufen. Dem Kläger wurde frühestens mit Schreiben vom 08.08.2013 ein Restwertangebot unterbreitet, wobei dessen Zugang zudem streitig ist und die Beklagte hierfür kein Beweis angeboten hat.

Jedenfalls hat dem Kläger vor Verkauf kein Restwertangebot der Beklagten vorgelegen. Der Kläger ist auch nicht verpflichtet gewesen ein Restwertangebot der Beklagten abzuwarten oder die Beklagte vor dem Verkauf über seine Verkaufsabsicht zu informieren, da der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB „Herr der Schadensabwicklung“ ist (AG Bochum DAR 2009, 209; Schubert, in: BeckOK Stand: 01.03.2011 § 249 Rn. 212). Der Kläger hat auch nicht etwa gegen Treu und Glauben verstoßen, weil er das beschädigte Fahr zeug verkauft hat, bevor er der Versicherung die Gelegenheit gegeben hat, sich zu dem Restwert zu äußern. Denn der Kläger ist aufgrund etwaiger Verzögerungsschäden im Hinblick auf Nutzungsausfall, Mietwagenkosten  oder Zinsschaden auch gehalten, den Unfall zügig abzuwickeln. Wenn er dieser Pflicht dann tatsächlich nachkommt, kann ihm nicht vorgehalten werden, dass dies nun zu schnell gewesen sei. Vor Verkauf des Fahrzeuges bestanden keine Anhaltspunkte dahingehend, die es geboten hätten, mit der Schadensbehebung abzuwarten.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Verzugszinsanspruch von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.09.2013 zu, §§ 286, 288 BGB. Die Beklagt ist mit dem Ablauf der in der Mahnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers bis zum 20.09.2013 in Verzug geraten.

Darüber hinaus steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ausgleich seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 213,30 € aus einer geltend gemachten 0,65er Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von 3.888,00 €, den anwaltlichen Auslagen und der MwSt. zu.

Der Zinsanspruch von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seit 23.12.2013 ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Es ist nicht dargetan, dass dieser Anspruch bereits vorher schon angemahnt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 709 ZPO zu entnehmen.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 3.888,00 € festgesetzt.

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