AG Itzehoe, Az.: 94 C 7/14, Urteil vom 06.11.2014
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 657,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.11.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten für vorgerichtliches anwaltliches Tätigwerden in Höhe von 201,71€ freizuhalten.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aus der Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung bei der YY-Versicherung zur Versicherungsschein-Nr.: … in Folge des Verkehrsunfallereignisses vom xx.xx.2013 auf der L288 (Friedhofstr./Elmshorner Straße in 25358 Horst/Holstein) entstandenen und künftig entstehenden Rückstufungsschaden zu drei Vierteln zu ersetzen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu 65 Prozent, der Kläger zu 35 Prozent zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerpartei kann die Vollstreckung der jeweils vollstreckenden Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
Dieser ereignete sich am xx.xx.2013 im Zentrum von Horst an der Kreuzung Bahnhofstraße/Friedhofstraße/Elmshorner Straße. Die Eigenart dieser Kreuzung liegt in ihrem etwas ungewöhnlichen Aufbau, der einerseits die Entstehung des Unfalls begünstigte, andererseits trotz weitgehend unstreitigen Unfallgeschehens zu einer juristisch völlig unterschiedlichen Beurteilung der Haftungsanteile der Unfallbeteiligten bei den an diesem Rechtsstreit beteiligten Rechtsanwälten führte.
Die Kreuzung ist wie folgt aufgebaut:
Die Elmshorner Straße ist eine durchgehende, von Elmshorn im Süden nach Itzehoe im Norden führende Überlandstraße, an der genannten Kreuzung die Hauptstraße. Seitlich münden zunächst die Friedhofstraße (in nördlicher Richtung gesehen von links) und etwas versetzt dahinter die Bahnhofstraße (in nördlicher Richtung gesehen von rechts) ein. Kurz hinter der Einmündung der Bahnhofstraße befindet sich eine Fußgängerbedarfsampel. Die Haltelinie für den Verkehr in Richtung Norden bei roter Ampel befindet sich noch vor der linken Einmündung der Friedhofstraße.
Die Ehefrau des Klägers, die Zeugin K, fuhr am Unfalltag mit dem Opel Zafira des Klägers die Friedhofstraße entlang und wollte die Elmshorner Straße überqueren, um in die Bahnhofstraße zu gelangen. Die Beklagte zu 1), die mit ihrem Opel Kadett Cabrio unterwegs war, der zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) versichert war, wollte, aus der Bahnhofstraße kommend, links in die Elmshorner Straße einbiegen.
Zum Unfallzeitpunkt zeigte die Fußgängerbedarfsampel hinter der Bahnhofstraße rot. Ein LKW hielt deshalb vor der Haltlinie, die sich noch vor der Einmündung der Friedhofstraße befindet.
Die Beklagte zu 1) befuhr die Kreuzung, ebenso die Zeugin K.. Die Zeugin K. fuhr dabei mit ihrer Front in die Seite des Fahrzeugs der Beklagten zu 1). Dabei wurden sowohl das Fahrzeug der Beklagten zu 1) als auch das Fahrzeug des Klägers beschädigt.
Der Kläger ließ den Schaden reparieren und nahm für den Rechnungsbetrag seine Kaskoversicherung in Anspruch, die insgesamt 7789,18 € für die Reparatur erstattete.
Der Kläger möchte nunmehr den Höherstufungsschaden bei der Kaskoversicherung, ferner die nicht erstatteten Mietwagenkosten von 337,84 €, seine Kasko-Selbstbeteiligung von 300,00 € und eine Auslagenpauschale von 20,00 € von den Beklagten erstattet haben.
Ferner macht der Kläger die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten haften für den Unfall allein, da die Beklagte zu 1) ihre Wartepflicht verletzt habe. Sie sei verpflichtet gewesen, als Linksabbiegerin die geradeaus fahrende Zeugin K. zunächst durchzulassen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 657,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.20913 zu zahlen
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten für vorgerichtliches anwaltliches Tätigwerden in Höhe von 718,40 € freizuhalten und
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aus der Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung bei der ADAC Autoversicherung AG zur Versicherungsschein-Nr.: … in Folge des Verkehrsunfallereignisses vom xx.xx.2013 auf der L288 (Friedhofstr./Elmshorner Straße in 25358 Horst/Holstein) entstandenen und künftig entstehenden Rückstufungsschaden in voller Höhe zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, nicht die Beklagte zu 1), sondern die Zeugin K. habe ihre Wartepflicht verletzt, da sich die Beklagte zu 1) zum Unfallzeitpunkt bereits auf der Elmshorner Straße und somit auf der Hauptstraße befunden habe und bereits in Richtung Elmshorn auf dieser Straße unterwegs gewesen sei.
Zu weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien, insbesondere zu Details des Unfallverlaufs, zu Fragen der Schadenshöhe und zu Grund und Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nimmt das Gericht auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen umfassend Bezug.
Das Gericht hat die Beklagte zu 1) persönlich zur Sache angehört und die Zeugin K. als Zeugin vernommen. Ferner wurde der Zeuge G., der Fahrer des zum Unfallzeitpunkt haltenden LKW, als Zeuge vernommen. Zu Einzelheiten und Ergebnis der Beweisaufnahme nimmt das Gericht auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014, Bl. 78 ff. d.A. Bezug.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 7, 17 StVG, für die Beklagte zu 2) i.V.m. § 115 VVG. Hiernach ist der bei einem Verkehrsunfall entstehende Schaden nach den Verursachungsanteilen der beteiligten Fahrzeuge zu teilen. Hierbei sind die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge und das persönliche Verschulden der beteiligten Fahrzeugführer zu berücksichtigen. Die Betriebsgefahr bleibt nur dann außer Betracht, wenn der Unfall für einen Beteiligten unabwendbar war. Diejenige Partei, die sich auf einen Verkehrsverstoß der Gegenseite beruft, muss diesen beweisen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze haften hier die Beklagten zu drei Vierteln, die Klägerseite zu einem Viertel.
Denn die Beklagte zu 1) hat einen Verkehrsverstoß begangen, indem sie ihre Wartepflicht aus § 9 Abs. 3 StVO verletzt hat. Die vorfahrtsberechtigte Klägerseite haftet mit der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, denn sie konnte den Unabwendbarkeitsbeweis nicht führen.
1.
Die Beklagte hat ihre Wartepflicht als Linksabbiegerin aus § 9 Abs. 3 StVO verletzt.
Bei der Beurteilung, wer vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug war, kommt es darauf an, ob die Unfallkreuzung als einheitliche Kreuzung zu bewerten ist (dann hat die geradeausfahrende Zeugin K. die Vorfahrt gehabt) oder ob die Unfallkreuzung als zwei, dicht aneinander liegende Einmündungen, also zwei getrennte Kreuzungen anzusehen ist.
Bei einer solchen Beurteilung sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, beispielsweise der tatsächliche Abstand der Straßeneinmündungen voneinander und die Straßenmarkierungen. Beides spricht hier dafür, die Kreuzung als einheitliche Kreuzung zu werten.
Der Abstand der Einmündungen ist so klein, dass es einem Linksabbieger, der aus der Bahnhofstraße kommt und links in Richtung Elmshorn abbiegen will, wie die Beklagte zu 1), faktisch nicht gelingen kann, sich bereits vollständig in der Geradeausfahrt auf der Elmshorner Straße zu befinden, wenn er die Einmündung der Friedhofstraße passiert. Gleiches gilt für die Linksabbieger aus der Friedhofstraße, die sich noch nicht vollständig geradeaus auf der Elmshorner Straße bewegen können, wenn sie die Einmündung der Bahnhofstraße passieren.
Die Straßenmarkierung ist so angelegt, dass die in Richtung Itzehoe fahrenden Fahrzeuge, wie der LKW des Zeugen G., die wegen Rotlichts der Fußgängerbedarfsampel warten müssen, ihre Haltelinie noch vor der Einmündung der Friedhofstraße haben. Auf diese Weise wird die Geradeausfahrt aus dem Friedhofsweg in die Bahnhofstraße durch die Markierung offen gehalten.
2.
Die Zeugin K. hingegen war vorfahrtsberechtigt. Gleichwohl ist es ihr nicht gelungen, den Unabwendbarkeitsbeweis zu führen. Sie ist in das Fahrzeug der Beklagten hineingefahren. Bei einer der (auch durch die alte enge angrenzende Bebauung) unübersichtlichen Kreuzungssituation angemessenen besonderen Aufmerksamkeit hätte sie die abbiegende Beklagte zu 1. mit hoher Wahrscheinlichkeit wahrnehmen können.
3.
Von der Kaskoversicherung des Klägers wurden auf den Gesamtschaden 7.789,18 € gezahlt. Die noch geltend gemachten Mietwagenkosten, die Kasko-Selbstbeteiligung und die Auslagenpauschale sind in der geltend gemachten Höhe (657,84 €) im Rahmen des Quotenvorrechts (§ 86 Abs. 1 S. 2 VVG) vollständig zu ersetzen.
4.
Ebenso ist der Höherstufungsschaden nach der genannten Haftungsquote zu ersetzen. Da dieser durch den Kläger noch nicht bezifferbar ist, ist sein dahingehender Feststellungsantrag zulässig.
5.
Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nur nach dem Streitwert zu ersetzen, der gegenüber der Haftpflichtversicherung geltend gemacht wurde. Der von der Kaskoversicherung ersetzte Schaden ist nicht einzubeziehen. Denn die Kaskoversicherung hatte ihren Schaden bereits reguliert, als der Klägervertreter tätig wurde. Hierauf konnte sich die Tätigkeit des Klägervertreters folglich nicht beziehen (vgl. auch OLG Karlsruhe, NZV 1989, 231).
Dieser Streitwert beträgt 1.007,84 € (657,84 € Restschaden und 350,00 € Höherstufungsschaden).
Es errechnet sich der aus dem Tenor ersichtliche Betrag wie folgt:
Gegenstandswert: 1.007,84 €.
Geschäftsgebühr §§ 13, 14, Nr. 2.300 VV RVG 1,3 149,50 €
Post-und TelekommPauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Zwischensumme Netto 169,50 €
Mehrwertsteuer 19 %32,21 €
Summe 201,71€
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO unter Zugrundelegung eines Gesamtstreitwerts von 1.726,24 €, die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus §§ 708Zi. 11, 711 ZPO.