AG Hamburg-Altona – Az.: 318c C 25/19 – Urteil vom 26.09.2019
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 215,83 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. September 2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger, zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt. Von der Abfassung, eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
1.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Schadensersatzes nach einem Verkehrsunfall.
Am 31.07.2017 kam es auf der A … auf Höhe der Anschlussstelle Hamburg-O. zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug zu einem Unfall, bei welchem das klägerische Fahrzeug beschädigt wurde. Der Kläger ließ das Fahrzeug vom Sachverständigenbüro T. auf der Grundlage einer zwischen dem Kläger und dem Sachverständigenbüro geschlossenen Preisvereinbarung (Anlage K 13, Bl. 81 d.A.) begutachten. Ermittelt wurde ein Reparaturschaden in Höhe von 982,47 € netto. Für die Erstellung des Gutachtens (Anlage K 2, Bl. 21 ff. d.A.) berechnete das Sachverständigenbüro einen Betrag in Höhe von 458,82 € (Rechnung vom 14.08.2017, Anlage K 3, Bl. 34 d.A.). Die Rechnung wurde bislang nicht vom Kläger beglichen. Zudem entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 71,40 € für die Nutzung einer Hebebühne durch den Sachverständigen zur Begutachtung des Fahrzeugs.
Der Kläger ließ sodann das Fahrzeug reparieren, wodurch ihm Kosten in Höhe von 1.216,85 € brutto entstanden (Rechnung vom 19.08.2017, Anlage K 4, Bl. 35 f. d.A.). Hierbei wurden für die Verbringung des Fahrzeugs zum Lackierbetrieb 120 € netto angesetzt. Für die Dauer der Reparatur von vier Tagen nutzte der Kläger ein Mietfahrzeug des Reparaturbetriebs, wodurch Mietwagenkosten in Höhe von 425,59 € entstanden (Rechnung vom 18.08.2017, Anlage K 5, Bl. 37 d.A.), von denen er 377,99 € ersetzt verlangt.
Die Beklagte regulierte, die Reparaturkosten in Höhe von 1.193,05 €, die Sachverständigenkosten in Höhe von 414 € und die Mietwagenkosten in Höhe von 260,61 €. Eine Regulierung hinsichtlich der Kosten für den Einsatz der Hebebühne in Höhe von 71,40 € erfolgte nicht.
Der Kläger verlangt nun Ersatz der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 23,80 €, der restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 117,38 €, der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 44,82 € und der Kosten für den Einsatz der Hebebühne in Höhe von 71,40 €.
2.
Die Klage ist zulässig.
Aufgrund der Ermächtigung der Sicherungseigentümerin und Darlehensgeberin, sämtliche Ansprüche aus dem Unfallereignis im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, ist der Kläger prozessführungsbefugt.
3.
Die Klage ist überwiegend begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf restlichen Schadensersatz gegen die Beklagte gem. §§ 7,17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG in Höhe von 215,83 € zu. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch besteht indes nicht.
a)
Ihm steht ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Verbringungskosten in Höhe von 23,80 € zu. Die geltend gemachten Verbringungskosten stellen nach Ansicht des Gerichts der Höhe nach den erforderlichen Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Fahrzeugzustandes dar. Die Beklagte ist der Ansicht, die geltend gemachten Verbringungskosten in Höhe von 120 € netto seien überhöht. Die Beklagte hat die geltend gemachten Verbringungskosten mit einem pauschalen Betrag von 100 € netto beglichen. Argumente dafür, warum dieser Betrag der erforderliche Betrag sein soll, hat die Beklagte jedoch in den entsprechenden Abrechnungsschreiben oder im Verfahren nicht vorgebracht.
Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers (AG Norderstedt, Urteil vom 14. 9. 2012 – 44 C 164/12; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 9 S 314/13). Dabei darf ein Geschädigter nach der sog. subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das, hierfür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 314/90, NJW 1992, 302, 304; AG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014 – 37 C 11789/11, juris). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten, unnötige Arbeiten in Rechnung stellt oder überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt (LG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 9 S 314/13, juris; AG Villingen-Schwenningen, Urteil vom 15.01.2015 – 11 C 507/14, juris; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995 – 9 U 168/94, juris). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges. Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier gleichartige. Aufwendungen sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben (S. 5 des Gutachtens). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die kompletten Kosten der Verbringung ersatzfähig. Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat die Klagepartei die Verbringungskosten insoweit für erforderlich halten dürfen.
b)
Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 117,38 € zu. Der aufgrund eines Verkehrsunfalls Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 16.04.2010 – 306 S 62/09 -). Die vom Kläger nunmehr noch verlangten Mietwagenkosten in Höhe von 377,99 € durfte der Kläger für zweckmäßig und notwendig halten. Der Geschädigte hat aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 16.04.2010 – 306 S 62/09 -). In diesem Zusammenhang können gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach § 287 ZPO geschätzt werden. Hierbei darf sich das Gericht an einschlägigen veröffentlichten Tabellen orientieren, beispielsweise anhand der Listen von Schwacke oder Fraunhofer (BGH, Urteil vom 18.12.2012 – VI ZR 316/11, juris). Vorliegend war als Schätzgrundlage der Schwacke-Mietpreisspiegel Ausgabe 2017 heranzuziehen, da die Fraunhofer-Liste für den Ort der Anmietung nicht auf repräsentative Werte gestützt ist. Die Beklagtenseite hat auch nur allgemein auf die Fraunhofer-Liste verwiesen, nicht aber dargelegt, dass ein Mietwagen am Ort der Anmietung zur Zeit der Anmietung zu wesentlich günstigeren Konditionen hätte erfolgen können, dass also die Schwacke-Liste den Markt nicht abbildet und deshalb keine taugliche Schätzungsgrundlage darstellt. Nach der Schwacke-Liste 2017 ergeben sich unter Berücksichtigung der ersparten Eigenaufwendungen des Klägers, die mit 5 % angesetzt werden, Mietwagenkosten in Höhe von 439,96 €. Insofern ist der vom Kläger begehrte, diesen Betrag unterschreitende Gesamtbetrag in Höhe von 377,99 € als erforderlich i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen.
c)
Dem Kläger steht darüber hinaus ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 3,25 €. Ein weitergehender Erstattungsanspruch steht ihm nicht zu. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urteil vom 19. Juli 2016 – VI ZR 491/15 -, juris). Denn der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15 – Rn. 15, juris m.w.N.). Den Geschädigten trifft gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des erforderlichen Herstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16). Vorliegend hat der Kläger die Rechnung jedoch noch nicht beglichen, sodass das einfache Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten grundsätzlich ausreicht. Der Kläger muss in diesem Fall darlegen, dass er die Kosten für erforderlich halten durfte bzw. dass sie für ihn nicht erkennbar überhöht waren.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15.08.2019 die zugrundeliegende Preisvereinbarung vorgelegt. Das hierin vereinbarte Grundhonorar für eine Schadenshöhe bis zu 1.000 € netto (290,42 € netto) befindet sich minimal oberhalb des Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2015 (Reparaturkosten bis 1.000 € netto = Korridor von 252 € bis 288 € netto). Somit war das vereinbarte Honorar für den Kläger jedenfalls nicht erkennbar überhöht. Allerdings hat das Sachverständigenbüro trotz ermitteltem Reparaturschaden von unter 1.000 € netto nicht das in der Preisvereinbarung vereinbarte Grundhonorar von 290,42 € netto, sondern ein Grundhonorar von 325,36 € abgerechnet. Dies macht brutto eine Differenz von 41,57 € aus. Um diesen Betrag waren die verlangten restlichen Sachverständigenkosten zu kürzen.
d)
Auch die Kosten für den Einsatz der Hebebühne in Höhe von 71,40 € sind nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erstattungsfähig. Im mit Schriftsatz vom 22.05.2019 vorgelegten „Serviceauftrag“ vom 14.08.2017 ist die Position „Arbeitsplatzstellung für SV“ enthalten und mit 60 € netto beziffert. Die im Sachverständigengutachten abgebildeten Lichtbilder zeigen, dass das Fahrzeug, auf eine Hebebühne in der Reparaturwerkstatt verbracht und dort begutachtet wurde. Da nicht jeder Sachverständige über eine eigene Hebebühne verfügt, darf er sich insoweit fremder Hilfe bedienen. Die der Werkstatt hierbei entstandenen Kosten darf diese dem Geschädigten in Rechnung stellen. Hätte der Sachverständige über eine eigene Hebebühne verfügt, hätte er hierfür entstandene Kosten ebenfalls in Rechnung stellen können. Darauf, ob eine Begutachtung des Fahrzeugs von unten bzw. ein Einsatz der Hebebühne erforderlich war, kommt es nicht an. Wie bereits oben ausgeführt, darf der Geschädigte im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung darauf vertrauen, dass die vorgenommenen Arbeitsschritte bei der Begutachtung des Schadens und dessen Beseitigung erforderlich sind. Der Geschädigte soll nicht das Risiko dafür tragen, dass die Werkstatt unnötige Arbeiten in Rechnung stellt.
e)
Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.